Angela Steideles historischer Roman „Aufklärung“

U:Bachs Weihnachtsoratorium wird heute überall aufgeführt, aber nirgendwo mehr als an dem Ort, für den es 1734 geschrieben wurde, in der Leipziger Thomaskirche, wo Bach als Kantor wirkte. Unter seinem jetzigen Nachfolger Andreas Reisz singen sie zunächst nicht “Jauchzet, freue dich!” das Lied. Mach mit, verherrliche die Tage“, sondern „Feier, Trommel! Stimme, Trompeten.’ Dies ist ein Text aus der Königinkantate BWV 214, die Bach im Vorjahr komponiert und später als Musik für den ersten Teil des Weihnachtsoratoriums verwendet hat, aber der Text wurde geändert; aus einer weltlichen Kantate, die nur für den einmaligen Gebrauch (am Geburtstag des Kurfürsten) bestimmt ist, wird eine geistliche Kantate, die in jedes Kirchenjahr passt. Und so heute.

Rise begründet seine Berufung auf den Originaltext nicht mit Originalitätsdrang, sondern im musikalischen Sinne. Beschreibt der Text nicht in Worten, was wir hören? Aber ist es eine Musikkategorie? Wenn Rise Angela Steidels neuen Roman gelesen hätte, hätte er diese Frage vielleicht noch einmal überdacht. Und dazu wäre es nicht nötig, alle sechshundert Seiten zu lesen, es würde genügen, die 52. Seite zu erreichen. Hier sind wir in der Leipziger Wohnung von Johann Sebastian Bach. Es ist kurz vor Weihnachten 1734, und der Wirt probiert mit Familienmitgliedern den neuen Text zur alten Musik aus, wie wir von seiner ältesten Tochter erfahren; “Diene dem Allerhöchsten mit glorreichen Chören.” „Die Koloratur steht immer auf dem ö, ja, das klingt schön, das ö ist immer gut zu singen. Schöne Subtexte. Er hat Chöre erfunden, weil Pauken und Trompeten nicht mehr im Text selbst vorkommen, sondern nur noch im Orchester. Aber so wird die Herrlichkeit Gottes durch Musik wiederhergestellt.”

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Wer hat den Text des Weihnachtsoratoriums geschrieben?

Aber wer ist „der“, den die Bachs als Lyriker rühmen? Bis heute weiß niemand, wer den Text des Weihnachtsoratoriums geschrieben hat. Der Roman kann dies jedoch ignorieren und Gewissheit vortäuschen; es ist Louise Gottsched, und wenn Sie den Namen noch nie gehört haben, sagt er viel über die Tradition der Geschlechterungerechtigkeit in der Literaturgeschichte aus. Und über unser Verständnis jener Ära, die wir heute “Aufklärung” nennen.

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So heißt auch Steidels Roman „Aufklärung“. Und es ist wahr. Selten war ein Titel passender. Denn zuerst spielt er während der Erleuchtung, und dann erleuchtet er uns. Nicht nur über den Status jener Louise Gottsched, der Frau von Johann Christoph Gottsched, die heute nicht mehr in aller Munde, aber in manchen Köpfen noch immer präsent ist, die damals die einflussreichste deutsche Sprachwissenschaftlerin war und in Leipzig lehrte. Und er kannte Bach so gut, dass er mehrere Kantaten für ihn schrieb. Aber offenbar nicht für das Weihnachtsoratorium.

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