Influenza: Tanz der viralen Proteine – Hüllproteine auf dem Grippevirus nicken, rotieren und “atmen”

Versteckte Dynamik: Die Proteine ​​auf der Oberfläche des Grippevirus sind überraschend beweglich, wie neue Analysen zeigen. Folglich kann die virale Neuraminidase ihren „Kopf“ um fast 90 Grad biegen und sich um ihre Achse drehen. Das andere Protein, Hämagglutinin, hingegen zeigt eine überraschende „Atmung“: Sein dreizackiges Ende öffnet und schließt sich abwechselnd. Beide Bewegungsformen offenbaren bisher unbekannte Andockstellen für Antikörper – und haben damit Potenzial für die Medizin.

Das Influenzavirus ist einer der erfolgreichsten Erreger überhaupt: Dieses behüllte RNA-Virus schafft es, immer wieder Varianten zu bilden und sich an neue Wirte anzupassen. Dadurch entstehen regelmäßig neue Grippestämme, die Vögel infizieren oder auf Menschen übergreifen können. Die beiden aus der Hülle herausragenden Oberflächenproteine ​​Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA) spielen eine entscheidende Rolle bei ihrer Fähigkeit, dem Immunsystem zu entkommen und unsere Zellen zu infizieren.

Wie diese Hüllproteine ​​des Influenzavirus aufgebaut und angeordnet sind, haben Virologen unter anderem mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie weitgehend aufgeklärt. Bisher war jedoch wenig darüber bekannt, wie sich diese viralen Proteine ​​bewegen und welche Rolle dies bei der Infektion, dem Zelleintritt und dem Erfolg unseres Immunsystems spielt.

Proteinbewegungen
Die atomgenaue Simulation des Influenzavirus offenbarte drei Bewegungsarten der beiden Hüllproteine. © Casalino et al./ACS Central Science, CC-by 4.0

Ein Virus mit 160 Millionen Atomen

Genau das haben Lorenzo Casalino von der University of California in San Diego und sein Team nun geklärt. Auf Basis elektronenmikroskopischer Daten und molekularer Analysen einzelner Proteindetails erstellten sie ein atomares Modell des gesamten H1N1-Influenzavirus inklusive aller Hüllproteine. Das 3D-Modell enthielt mehr als 160 Millionen Atome, ihre Positionen und chemischen Bindungen.

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In einer biophysikalischen Simulation haben die Forscher dann ermittelt, wie sich die Hüllproteine ​​unter In-vivo-Bedingungen verhalten und bewegen – zum Beispiel, wenn sie in unsere Atemwege und Gewebe eingedrungen sind. „Daher bieten unsere Simulationen beispiellose dynamische Ansichten der plastischen Konformationsänderungen von Hämagglutinin- und Neuraminidase-Anhängen“, sagt das Team.

Neuraminidase nickt mit dem Kopf

Tatsächlich offenbarten die Simulationen drei überraschende dynamische Bewegungen der viralen Hüllproteine. Einerseits kann das Protein Neuraminidase seinen charakteristischen „Kopf“ um mehr als 90 Grad biegen. Dadurch führt der Eiweißkopf kreisförmige Bewegungen auf seinem Stiel aus. „Beim Abknicken des Kopfes kommt ein bisher unbekanntes Epitop auf der Unterseite des Neuraminidase-Kopfes zum Vorschein“, berichten Casalino und seine Kollegen.

Das Spannende daran: Epitope sind potenzielle Andockstellen für Antikörper an den viralen Proteinen. Sie spielen daher eine entscheidende Rolle dabei, wie effektiv das Immunsystem ein Virus erkennen und bekämpfen kann, aber auch wie gut Impfstoffe und Antikörperpräparate wirken. „Wir haben bereits einen monoklonalen Antikörper identifiziert, der an die Unterseite des Neuraminidase-Kopfes binden kann“, berichten die Forscher. Dies kann neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen.

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Die Hämagglutinin-Steigung zeigt „alte“ Andockstellen

Dasselbe gilt für die anderen in der Simulation identifizierten Proteinbewegungen. Denn auch das andere Hüllprotein des Grippevirus, das Hämagglutinin, kann ein bisschen mit dem Schwanz wedeln. Diese Position bleibt länger erhalten – und offenbart gleich mehrere potenzielle Angriffspunkte: „Die allmähliche Neigung der HA-Ektodomäne hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Zugänglichkeit der sogenannten ‚Anker-Epitope‘ am unteren Ende des Proteinstiels “, sagen Casalino und sein Team.

Es wird angenommen, dass diese tiefen Andockstellen weniger anfällig für Mutationen sind und bei vielen Influenza-Subtypen gleich bleiben. Dadurch können sie von breit wirksamen Antikörpern im Körper oder einem Präparat angegriffen werden. “Die Einschränkung der Hämagglutinin-Ektodomäne in einem geneigten Zustand kann die Immunantwort auf diese Ankerepitope verstärken”, sagen die Forscher. Tatsächlich gibt es bereits mehrere breit neutralisierende Antikörper, die zu diesen Andockstellen passen.

Hämagglutinin-Kopf
Der “atmende” Kopf des Hämagglutinins: links geschlossen, rechts offen. © Casalino et al./ACS Central Science, CC-by 4.0

Der Proteinkopf „atmet“

Wesentlich ungewöhnlicher ist der dritte Satz: Das Protein Hämagglutinin „atmet“. Das dreilappige Ende dieses Hüllproteins öffnet und schließt sich periodisch. „Die Proteinköpfe scheinen asymmetrisch zu atmen und sich unabhängig voneinander zu öffnen und zu schließen“, berichten Casalino und seine Kollegen. Im Durchschnitt sind zu jeder Zeit etwa 70 Prozent der HA-Proteine ​​in einem Influenzavirus geschlossen und 30 Prozent offen.

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Ähnlich wie die Biegebewegungen macht diese Atmung des Hüllproteins auch das Influenzavirus anfälliger: Wenn sich der Kopf des Hämagglutinins öffnet, gibt er in seinem Zentrum eine weitere potenzielle Andockstelle für Antikörper frei. Laut der Simulation passt dieses Epitop zu einem anderen potenziellen Breitband-Antikörper.

Potenzial für die Medizin

Diese neuen Erkenntnisse über die Bewegungen der Influenza-Hüllproteine ​​sind laut den Forschern von großer Bedeutung für die Medizin. „Die in unseren Simulationen aufgedeckte Plastizität der Proteinkonformationen zeigt uns Schwachstellen des Virus und enthüllt Epitope, die sonst verborgen oder unzugänglich wären“, erklären Casalino und seine Kollegen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, diese Stellen mit maßgeschneiderten Antikörpern oder Impfstoffen anzugreifen.

Es ist besonders relevant, dass einige dieser potenziellen Häfen dieselben bleiben, selbst wenn sich neue Influenza-Varianten bilden. Dadurch könnten Impfstoffe und Grippemedikamente entwickelt werden, die nicht jede neue Saison angepasst werden müssen. (ACS Central Science, 2023; doi:10.1021/acscentsci.2c00981)

Quelle: American Chemical Society

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