
KLaus Emmerich hat eine lange Liste an Problemen vor sich: Am Klinikum in Berchtesgaden kann die Notversorgung schließen, in Wegscheid gibt es auch eine Notversorgung, und das Kreisklinikum in Freilassing steht kurz vor der kompletten Schließung.
Ein weiteres Problem für den Betriebswirt Emmerich, der selbst ehemaliger Krankenhausleiter ist und seit seiner Pensionierung in Bayern gegen Klinikschließungen kämpft: das Franz-von-Prümmer-Klinikum in Bad Brückenau. „Wir wollen Notaufnahmeschließungen verhindern, indem wir Unterschriften sammeln“, sagte Emmerich. Doch die Rettungsaktion war nicht erfolgreich. Die Notaufnahme ist geschlossen.
Emmerichs Kampf mit dem „Bündnis Klinikrettung“ wurde dadurch verschlimmert, dass er ihn oft gegen unbekannte Gegner führte. „Den Eigentümern der Krankenhäuser lässt sich meist nur im Rahmen erweiterter Kapitalbeziehungen durch langwierige Recherchen in den Firmenbüchern herausfinden. Nicht selten wurden die Kliniken an ausländische Finanzinvestoren verkauft“, sagte Emmerich.
Millionenmonopol für Kliniken in Deutschland
Es ist ähnlich wie in Bad Brückenau. Die zuvor vom Landkreis betriebene Klinik wurde vor Jahren an einen skandinavischen Betreiber verkauft, der von einer Private-Equity-Gesellschaft gehalten wird. Später wurde die Klinik an einen französischen Krankenhauskonzern übergeben. Heute wird die Klinik von einem privaten Konsortium aus Deutschland geführt.
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit entbrannte im deutschen Gesundheitswesen ein millionenschweres Monopolspiel mit Krankenhäusern. Neben privaten Klinikketten erfolgten die Überweisungen vor allem durch Private-Equity-Finanzinvestoren, auch Balang genannt.
Was diese Branche verbindet: Sie möchte in ihrem Healthcare-Geschäft nicht übersehen werden. Einige der Investoren haben ihren Sitz in Offshore-Zentren wie den Kaimaninseln.
Der Einkauf großer Unternehmen wurde durch die Pandemie und die Belastung der Krankenhäuser nicht unterbrochen.
Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC treiben „Finanzinvestoren oder Strategen aus dem Ausland auch 2021 die Marktteilnehmer voran und erwerben weiterhin geplante Krankenhäuser oder Krankenhäuser mit Liefervertrag“.
Das Sankt-Elisabeth-Klinikum in Heidelberg wurde von Patient 21 gekauft, das Elbe-Jeetzel-Klinikum im niedersächsischen Dannenberg ging an die Capiton AG und das Sana-Klinikum in Nürnberg an Ergon Capital. „Darüber hinaus ist mit weiteren Krankenhausübernahmen durch Finanzinvestoren zu rechnen, die nicht öffentlich bekannt wurden“, so PwC.
Der Patient ist der Verlierer
Der Patient verliert in der Regel das Millionenspiel. Politiker, Verbände und Bürgerinitiativen warnen vor Kürzungen bei der medizinischen Versorgung und Sparplänen von Anlegern.
Denn die Kliniken selbst sind meist nur Einfallstore für Finanzakrobaten. „Aus regulatorischen Gründen ist das Krankenhaus Sponsor für Finanzinvestoren, die in den Gesundheitsmarkt investieren und medizinische Versorgungszentren betreiben“, so PwC.
Das Problem mit der Ampelkoalition kam mit leichter Verzögerung. „Hedgefonds“ im Gesundheitswesen seien dem Bundesgesundheitsministerium ein „Dorn im Auge“, hieß es vergangene Woche, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Krankenhausreformpläne vorstellte.
Wie der Verkauf von Krankenhäusern, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Arztpraxen an internationale Finanzakteure gestoppt werden soll, verriet Lauterbach nicht. „Entsprechende gesetzliche Regelungen sollen im nächsten Jahr eingeführt werden“, so das Ministerium.
Der Druck auf Lauterbach wächst. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, zeigt sich „zutiefst besorgt“ über die Aktivitäten von Finanzinvestoren. Auch von anderer Seite nehmen die Kritik und Forderungen nach einer strengeren Regulierung zu.
Gefragt sind unter anderem Private-Equity-Investoren. Obwohl auch private Klinikketten wie Helios oder Asklepios profitabel sind, sind diese Betreiber oft an der langfristigen Betreuung der Kliniken interessiert.
Für Anleger ist dies nur ein temporärer Eintrag
Fonds hingegen verstehen sich als Eigentümer auf Zeit, die ihre Anlagen möglichst gewinnbringend weiterverkaufen wollen. Wie genau das im Gesundheitsbereich geschieht, darüber schweigt sich die Branche aus – aus gutem Grund, wie Recherchen von WELT AM SONNTAG zeigen.
Der Weg zu den Strippenziehern umsichtiger Krankenhausgeschäfte führt zu einem gläsernen Hochhaus in einer teuren Gegend Berlins. Die Eingangshalle ist schlicht gehalten. Auf der Tafel neben der Rezeption prangt ein Schild mit Dutzenden von Standorten der Kanzlei: USA, Peru, Bermuda, Kaimaninseln.
In einem der oberen Stockwerke empfängt Sie ein Mann mit Dreitagebart und perfekt geschnittenem Zweiteiler. Er ist als Rechtsanwalt für das Gesundheitswesen zuständig. Das Treffen mit WELT AM SONNTAG findet unter der Bedingung statt, dass weder sein Name noch der Name der Kanzlei genannt werden. Daher soll der Anwalt in dieser Geschichte Simon Becker heißen. Der Grund für die Geheimhaltung sind Branchenpraktiken. „Es gibt zwei Arten von Investitionen, über die Private Equity nicht sprechen will: Waffen und Drogen“, sagte er.
Becker arrangiert den Ankauf von Krankenhäusern für deutsche und internationale Investoren. Er hält Ausschau nach den entsprechenden Kliniken, durchkämmt die Bilanzen der Krankenhäuser und begleitet die gesamte Transaktion. „Besonders gefragt sind mittelgroße Krankenhäuser“, sagt der Jurist. Ob Kliniken Gewinne oder Verluste machen, ist für die Kunden oft zweitrangig. Weil man mit den Anlagen selbst kein Geld verdienen kann. “Krankenhäuser selbst sind nur ein Vehikel”, sagte Becker.
Um seine Erläuterungen zu verstehen, muss man wissen, dass bestimmte Voraussetzungen notwendig sind, um auf dem deutschen Gesundheitsmarkt tätig zu sein. Es ist vorgesehen, dass bestimmte Gruppen medizinische Versorgungszentren oder Arztpraxen betreiben. Das dürfen nur Ärzte oder Krankenhausbetreiber. Um den Kreis der Rechteinhaber zu erweitern, springen Anwälte wie Becker ein.
„Sie legt fest, wer Medizinische Versorgungszentren oder Arztpraxen betreiben darf. Sie regelt aber nicht, wer Eigentümer eines Krankenhauses sein darf“, sagte Becker. Er spricht von einer „Rechtslücke“, durch die Investoren in das Gesundheitssystem einsteigen können – was für sie nicht vorgesehen ist. Wenn Investoren mit dem Kauf eines Krankenhauses in den Gesundheitsmarkt einsteigen, verfolgen sie laut Becker in der Regel eine „Buy and Build“-Strategie. Sie werden zum Beispiel Arztpraxen kaufen und durch Fusionen Synergien erzielen.
Es bestehen keine ethischen Bedenken
Ähnlich verfährt die Branche in MVZ, wo durch die Konzentration auf margenstarke Fachgebiete wie Zahnmedizin oder Radiologie Spitzenrenditen zu erwarten sind. Andererseits investiert „niemand“ in schlecht bezahlte Bereiche wie die Gynäkologie.
Becker hat keine ethischen Bedenken. “Investoren machen Medizin besser und billiger für den Patienten”, sagte er.
Aber nicht alle sehen das so. Bürgerinnen und Bürger schließen sich zunehmend zu Initiativen und Widerstand zusammen. Laut dem Betriebswirt und Aktivisten Emmerich wirken sich die Aktivitäten von Private Equity tödlich auf Krankenhäuser aus. Investoren versuchten, “die Kliniken mit minimalem Budget zu betreiben, um das Defizit möglichst gering zu halten oder Einnahmen zu generieren”.
Der Kampf gegen Einkaufstouren der Hochfinanz kommt auch von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). Vor allem Investitionen in Medizinische Versorgungszentren nach dem Kauf von Krankenhäusern stießen bei der KZBV auf Kritik.
Der Verband warnte vor Risiken des investorengestützten MVZ für „Qualität, Patientenwohl und die Sicherstellung einer umfassenden vertragsärztlichen Versorgung“.
Die Kritik hinterließ Spuren bei den Finanzinvestoren. „Die Angst vor Regulierung und der zunehmende Mangel an Exit-Möglichkeiten führt derzeit zu einer Zurückhaltung bei einigen Anlegern“, sagte Rechtsanwalt Becker. Es dürften jedoch alternative Wachstumsfelder identifiziert worden sein. Die Schweizer Grossbank UBS wies in einer Werbebroschüre darauf hin, dass «im Zuge der Pandemie die psychische Gesundheit wieder ins Rampenlicht gerückt ist». Neben Private Equity Investments kann sich dieser Anlagebereich auch für „Impact Investing“ eignen. Auf Nachfrage wollte die UBS nicht sagen, welche Margen die Schmerzen für die Anleger verursachten. Die Branche ist verschwiegen.